Jugend.Pflege.Notstand.
Sterbehilfe
für’s
Esenser Jugendparlament
Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG), die leicht- wie unmißverständliche Dienstanweisung für’s seriöse Ratsmitglied, gibt mit § 36 Aufschluß über Mitwirkungsformen von Jugendlichen am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß, wonach Gemeinden und Samtgemeinden Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die deren Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen sollen.
Hierzu sollen die Gemeinden und Samtgemeinden über die im NKomVG vorgesehene Beteiligung der allgemeinen Einwohnerschaft (§§ 31-35) hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.
Diese Regelung ist als Soll-Vorschrift formuliert, was bedeutet, daß nur in atypischen Ausnahmefällen von ihr abgewichen werden darf (BeckOK/Seybold KommunalRNds, 16. Ed., Std. 01.01.2021, NKomVG § 36 Rn.13.).
Hinsichtlich der Art der Beteiligung besteht ein großer Ermessensspielraum; die Regelung gestattet u.a. die Einrichtung von Jugendparlamenten, von denen in Deutschland mittlerweile ca. 650 mit unterschiedlichen Anwesenheits-, Rede-, Antrags-, Stimmrechten und Budgets existieren, so auch in der Samtgemeinde Esens.
Instrument der Jugendpflege?
Auf der Internetseite der Stadt bzw. der Samtgemeinde Esens ist das Jugendparlament unter Politik gelistet und vermutlich Teil und Aufgabe der Jugendpflege – zuverlässig herauszufinden ist das nicht. Der Bericht über die Arbeit der Jugendpflege, der ungefähr einmal jährlich im Sozial-, Jugend- und Seniorenausschuß erfolgt, bleibt danach – entgegen den Behauptungen der Niederschrift – für die Öffentlichkeit unzugänglich, so daß man hinsichtlich des Kontextes Jugendparlament / Jugendpflege zunächst auf Vermutungen angewiesen ist.
Erfahrungen aus anderen Kommunen und aktuelle Erhebungen des Deutschen Kinderhilfswerks zum Thema belegen den Status des Jugendparlaments als wichtigen Teil einer vielfältigen Beteiligungslandschaft in der Kommune: „Konstitutiv ist ihre Nähe zu politisch-parlamentarischen Strukturen und Gremien. Sie sind mit einem allgemeinpolitischen Mandat für die Vertretung der Interessen von Gleichaltrigen ausgestattet und werden durch eine kooperative Grundhaltung von Politik und Verwaltung unterstützt“, so ein Rechtsgutachten des Deutschen Kinderhilfswerks zum Thema.
Tatsächlich ist die Mehrzahl der Jugendparlamente strukturell verankert und institutionell und rechtlich mit der Ratsarbeit verknüpft. Sachkundiges hauptamtliches Betreuungspersonal sei überdies „Ausdruck der Ernsthaftigkeit“, mit der die Jugendvertretungen in die kommunalpolitische Landschaft eingebunden werden. „Erwachsene Expertinnen und Experten, Ratsmitglieder sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wirken ebenfalls mit und sind Teil dieses Beratungs- und Unterstützungsnetzwerks.“ (Ebd.)
Propaganda-Masche
„Wir setzen uns ein für … eine aktive Unterstützung unseres Jugendparlaments zur Stärkung der jugendlichen Interessen“, erklärt nun seit einigen Jahren ohn‘ Unterlaß und Konsequenz zum Beispiel die sogenannte Esenser Bürgerinitiative EBI als Gruppe im Stadtrat und Teil des o.b. Unterstützungsnetzwerks, auf das zurückzukommen sein wird.
Weitere lokalpolitische Unterstützung erfährt die Jugend, wohl nur als Marke, durch die Nachwuchsorganisation der SPD, die sogenannten Jungsozialisten, deren Vorsitzender, wo immer es geht, sich zur „Jugend“ in Bezug zu setzen weiß, ihr Förderung und Unterstützung behauptet, so lange eine politische Verwertungslogik garantiert, daß eine Viertelstunde später in dessen Zielgruppe sich niemand mehr daran erinnert. (hier, dort und drüben)
Und wenn diese dann gar bei Rafa’s essen geht, wertet der Parteivorsitzende dies als jugendpolitisches Programm und das Anschlußbestreben an greise Lokalpolitik mit Wohlgefallen: „Wir sind stolz auf Euch. Weiter so.“ (Es gibt Jugendliche, die bei solcher Benotung der Selbstzweifel vor den Zug treibt.)
Mit dieser letzten Masche endet das hiesige JuPa-Unterstützungsnetz bereits.
Closed shop
„Keine weiteren Sitzungen“ lautete der letzte Funkspruch des Esenser Jugendparlaments und wurde am 19. Dezember 2020 empfangen und ward danach aber auch bis heute von keinem politischen Unterstützer jemals als vermißt gemeldet.
Seither wechseln und widersprechen sich aber die Mutmaßungen.
Sollte das JuPa durch hochkalibrige Coronamaßnahmen versenkt worden sein, so sei darauf verwiesen, daß sogar die Jusos bereits ab 16. November 2020 Online-Konferenzen abzuhalten wußten und dem JuPa etwas diesbezüglichen Support hätten zuteil werden lassen können.
Und hätte sich das JuPa als corona-schutztechnisch unterdimensioniert erwiesen, so wäre ja 2021 mit der Firmengründung des Juso-Chefs für die Handelsware Masken & Test-Kits noch ein Rettungsring in Heulbojensichtweite aufgetaucht.
Doch nichts von alledem; die letzte Eintragung im JuPa-Logbuch datiert auf den 23.10.2020 – und hinterläßt erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit irgendeines Aufklärungsinteresses vonseiten der Beteiligten, Unterstützer, Betreuer.
Die üblichen AfH-Verschwörungsideologen wollen sogar zuletzt einen Überlebenden der JuPa-Havarie, den Jugendkapitänbürgermeister Marco Bents als Juso-Kandidaten für die Kommunalwahl 2021 gesehen haben!
Tja, die JuPa-Mailadresse ist tot bzw. antwortet nicht; der Vorsitzende des zuständigen Samtgemeinde-Sozial-, Jugend-, Seniorenausschusses Gerhard Frerichs, angefragt nach dem Bericht der Jugendpflege, ebenfalls; und die Anfrage an die Berichterstatterin selbst blieb letztlich auch erfolglos.
Wer nun also mehr über die Esenser Polit-Verhältnisse wissen möchte, muß wieder mal tief tauchen – und findet mit etwas Glück in trübem Gewässer:
die Satzung des Esenser Jugendparlaments – die Geburtsurkunde als Totenschein!
Vorzeit-Schwurbel
Wer diese wann erstellt hat, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls erklärt sie einleitend für sich „Rechtsverbindlichkeit durch diese Satzung und die Verankerung im Ortsrecht der Samtgemeinde Esens“.
Weil aber weder in der Geschäftsordnung noch in der Hauptsatzung der Samtgemeinde dazu eine Erwähnung auffindbar wäre, steht bereits in §1 die Rechtsstellung des Esenser JuPas auf tönernen Füßen.
Da es „zum Ende des Sitzungsjahres einen Bericht über das eigene Wirken“ erstellt (§2), ist’s verzeihlich, wenn der nicht auffindbar ist, weil unter Umständen nichts gewirkt hat.
Allerdings müßte sich nun die zuständige Betreuung bzw. Ansprechpartnerschaft aus der behördlichen Jugendpflege nach ihrem diesbezüglichen Wirken befragen lassen.
Dies gilt auch für die Feststellung, „das JuPa liefert Informationen und Berichte an alle Gremien über die Kinder und Jugendlichen in der Samtgemeinde Esens und deren Angelegenheiten und Ansichten“ – und irritiert jedoch umso mehr durch die Zuschreibung solcher nachrichten- und erkennungsdienstlichen Funktion und wirft die Frage auf, wer überhaupt solchen Unsinn abfaßt und einer ihm anvertrauten Jugendvertretung unterschiebt und von einer desinteressierten Politik noch supporten läßt.
Aus dem Rahmen gefallen
Daß die Wahl eines Jugendparlaments „durch den … Obmann und die Verwaltung der Samtgemeinde Esens auf Kosten der Samtgemeinde durchgeführt“ wird, steht in § 4, und man möchte dem Samtgemeinde-Chef verspätet zurufen:
„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.“
Denn „Das JuPA wird in der Regel auf 2 Jahre gewählt“ heißt es nämlich weiter und wer dem Anzeiger glaubt, weiß, daß das letzte JuPA im November 2019 gewählt wurde, daß die Samtgemeinde also mit der Neuwahl seit 2021 in Verzug und das JuPa seither aus dem Rechtsrahmen gefallen ist !
Nun ja, der Samtgemeinde-Jahresabschluß für’s Haushaltsjahr 2013 erfolgte auch erst im März 2023, insofern der Verzug des JuPas ein Schritt in die bewährte Richtung wäre – „Kommunen als politische Lernorte für junge Menschen“ (aus: Qualitätsmerkmale für starke Kinder- und Jugendparlamente, Deutsches Kinderhilfswerk).
Wind auf’m Flur
Und ließe der Samtgemeindebürgermeister nun tatsächlich auf seinen Fluren die Winde los, dann „stellt die Samtgemeinde Esens einen Berater, der dem JuPA in verwaltungstechnischen und rechtlichen Fragen zur Seite steht“ (§6 der JuPa-Satzung) und verschafft ihm „in den politischen Gremien … Mitwirkungsrechte, die in der Geschäftsordnung des Rates zu regeln sind.“ (Ebd.)
Weil dort aber nichts dazu die geringste Erwähnung findet, dürfte auch die noch gelegentliche, aber bindungslose und freischwebende Teilnahme von JuPa-Beiräten in den Fachausschüssen eher als freundliche, strukturlose Zufälligkeit, denn als institutionell und rechtlich mit der Ratsarbeit verknüpft, zu werten sein. Diese politisch-administrative Interessenslage beschreibt der o.b. Untersuchungsbericht als „… Ausdruck eines „von oben“ zugestandenen, institutionell gesicherten und eingehegten Beteiligungsortes“.
„Dem JuPA wird durch die Samtgemeinde Esens eine Räumlichkeit zur Verfügung gestellt, in welcher die administrativen Arbeiten bewältigt werden können“ sagt die Satzung. Sollte man sich auf die Suche danach machen…?
Des Jugendbürgermeisters „Pflichten werden in der Geschäftsordnung des JuPAs geregelt“, die aber in Abgrenzung zur > Satzung nicht weiter erläutert ist, die wiederum mit §7 betont, daß Repräsentanten des JuPas „strengstens“ (!) an dessen Beschlüsse gebunden seien und aber mindestens auch „sich an die Beschlüsse halten sollten„ (§14).
Im weiteren §9 werden Satzung und Geschäftsordnung dann durcheinander bzw. gleichbedeutend verwendet; alsdann gibt sich „das JuPA eigenverantwortlich eine Geschäftsordnung“ und eine „Finanzordnung“. Jedoch eine „Wahlordnung erstellt der Jugendbeirat in Rücksprache mit der Samtgemeindeverwaltung“, die „durch den Samtgemeinderat genehmigt“ werde !
Nichts davon ist irgendwo auffindbar existent; allzu undeutlich tritt hier bloß die Ordnungsliebe des Satzungsverfassers hinter Verständlichkeit und Lebenswirklichkeit zurück und läßt das JuPa sogar „Ausschüsse“ bilden usw. .
Auf weitere Kommentierung der Paragrafen 16 ff. Jugendforum, Neuwahlen, Auflösung, Inkrafttreten sei hier schließlich verzichtet, weil sie der Verständlich-, Verbindlichkeit und Rechtskraft entbehren und lediglich nochmals die Frage nach Intention und Gebrauchswert dieses Erzeugnisses aufwerfen.
Zurück zur Ausgangsfrage: Seit 2020 ist das Esenser Jugendparlament tot – formal und inhaltlich – und niemand trauert?
Letztlich verbietet hier die Stilfrage eine freche Unterstellung, daß die betrauten Fachpolitiker wohl auch nicht die Satzung und sonstigen Rechtsrahmen kennen.
Was tun ?
Eine Möglichkeit, dem behaupteten politischen Interesse an der Mitwirkung von Jugendlichen an ihren öffentlichen Angelegenheiten nochmals Geltung zu verschaffen, liegt gewiß in einem JuPa-Neustart, der aber zunächst eine ernsthafte Willensbildung der zuständigen Fachpolitiker erfordert. Dies wären die Mitglieder des Sozial-, Jugend- und Seniorenausschusses.
Aus der Schriftenreihe des Deutschen Kinderhilfswerks e.V. steht ihnen dazu ein aktuelles Rechtsgutachten zum Thema „Rechtliche Rahmenbedingungen der institutionellen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland“ von 2022 als solide Gestaltungshilfe zur Verfügung. >download
Im weiteren legen die Herausgeber eine fundierte Untersuchung „Starke Kinder- und Jugendparlamente. Kommunale Erfahrungen und Qualitätsmerkmale“ vor, die mit einer beachtlichen Empfehlung bzw. Handreichung von 7 Kernmerkmalen und 13 Ergänzenden Merkmalen abschließt, die sowohl für die Politik, also die Mitglieder des o.b. Ausschusses, als auch die Fachverwaltung der Jugendpflege eine solide Grundlage zur Konzipierung einer belastbaren Satzung für ein Esenser Jugendparlament und dessen weitere Realisierung darstellen sollten. >download
Diesen 20 Qualitätsmerkmalen sitzen 13 mandatierte Ausschußmitglieder und 4 hauptamtliche Fachkräfte als Rezipienten gegenüber, so daß dahingestellt sei, ob die Glaubwürdigkeit des politischen Willens sich exemplarisch an der Einrichtung einer ausgewiesenen Geschäftsführungsstelle für das Jugendparlament wird messen lassen dürfen.
Zukunftsfähigkeit erweist sich dann daran, ob Personalkapazität z.B. vom Oldtimertreffen zum Jugendparlament verlagert werden kann …!
Nachtrag: Einwohneranregung gem. § 34 NKomVG
Wie eingangs erwähnt verfügt das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz über etwa geeignete Instrumente, nicht nur dem Herrn zu gestatten, die Winde auf den Fluren loszulassen sondern auch betrauten Fachpolitikern Erkenntniszuwachs zuzufügen.
So erwuchs konsequenterweise aus der Suada über die beschämende Vernachlässigung des Esenser Jugendparlaments die konstruktive Blüte einer Einwohneranregung nach § 34 NKomVG, hoffnungsfroh gerichtet an den Samtgemeindebürgermeister Harald Hinrichs.
Die freundliche Antwort bestätigte den Empfang und enthielt die Zusage, die Anregung zur Beratung in der nächsten Sitzung des Sozial-, Jugend- und Seniorenausschusses vorzusehen
… und die ganze Herzlichkeit des Begleitgelächters meinte man bis in die exit-esens-RedaktionsWein-Stube verspüren zu können, da der Sitzungskalender des Samtgemeinde-Sozial-, Jugend- und Seniorenausschusses für dieses Jahr gar keinen Termin mehr verzeichnet.
So bleibt wohl die Frage auch für dieses Jahr unbeantwortet, was der Esenser Politik wohl mehr am Ar… Herzen vorbeigeht: die Perspektive des Einwohnernachwuchses oder das rechtskonforme Handeln.
Nun weiß man’s: Es ist beides, und eine dritte Komponente kommt hinzu: Die Volksverarschung.
Denn auf Nachfrage teilte mit Mail vom 07.06.2023 Stadtdirektor Harald Hinrichs mit, daß die Sache am 25.05.2023 im nichtöffentlichen Samtgemeindeausschuß behandelt worden sei mit folgendem (nichtssagenden) Ergebnis:
1. Die Wahl eines neuen Jugendparlamentes wird vorbereitet.
2. Die derzeit geltende Satzung zum Jugendparlament wird auf Änderungsbedarf hin überprüft und dann den zuständigen Gremien zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.
Die explizite Frage dazu, was es erforderlich machte, die Öffentlichkeit hier auszuschließen (öffentliches Wohl? berechtigtes Interesse Einzelner?), blieb nämlich unbeantwortet, zeigt aber ein weiteres Mal, daß Politik entweder gar nicht stattfindet oder aber gewohnheitsmäßig als exklusives Privatissimum.
Auch am Beispiel des maroden Freibades B’siel hat z.B. KDH, der Ex-Chefredakteur des Anzeigers, dies noch mal vom Juso-Chef Ole Willms naseweis verabreicht bekommen.
Was denn auch sonst als ein Ole kann dabei rauskommen, wenn ein Fokko dem Parteinachwuchs zu Esens Politische Bildung zuteil werden läßt.