Holoween & Hallocaust

Holoween & Hallocaust

AfH, facebook, 30.10.2018

Der facebook-Anzeiger für Harlingerland, dessen Redakteure da gerne die eigenen Beiträge liken, bis sie für die print-Ausgabe relevant sind, hat seiner community zum Reformationstag eine Umfrage erstellt. „Was wird morgen bei Ihnen zelebriert?“ wird da zur Meinungsbildung anheimgestellt, die Ehrung Luthers oder der Halloween-Horror? Damit bringt die Redaktion zwei Optionen zusammen, ohne im mindesten zu ahnen, daß diese Komplexe tatsächlich einander so nahe sind, daß man sie getrost zusammen „zelebrieren“ darf.

„Wenn ich einen Juden taufe,
will ich ihn an die Elbbrücken führen,
einen Stein um den Hals hängen, ihn hinabstoßen
und sagen: Ich taufe dich auf den Namen Abrahams.“

Martin Luther, Tischreden (Nr. 1795)

In des Reformators Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ nach der gültigen, vom Autor selbst erweiterten zweiten Ausgabe von 1543 feiert sich dieser völlig offen als schäumender, rasender und vollends überzeugter Antisemit. Sie ist seit knapp 500 Jahren alles andere als ein Geheimnis; gelesen wurde sie immer, und nur wenige Leser nahmen Anstoß. Einer von ihnen, der Philosoph Karl Jaspers (1883–1969), schrieb: „Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.“

Auf Luther berief sich während der Nürnberger Prozesse 1946 explizit auch Julius Streicher, Herausgeber des Stürmers, und brachte zum Zweck seiner Verteidigung vor: „Antisemitische Presseerzeugnisse gab es in Deutschland durch Jahrhunderte (…) Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch von der Anklagevertretung in Betracht gezogen würde.“

„Von den Juden und ihren Lügen“ ist eine Handreichung zum Pogrom, eine Anweisung für und eine Rechtfertigung von Massenmord. Luther forderte die Verbrennung der Synagogen, ein Lehrverbot für Rabbiner bei Androhung der Todesstrafe, Aufhebung der Wegefreiheit für Juden, die Zerstörung ihrer Häuser und ihre Zwangsunterbringung, die Wegnahme ihrer religiösen Bücher, ihre Zwangsenteignung und Zwangsarbeit.
Luthers Pamphlet geht über zeittypische antisemitische Ressentiments, die sich bis heute erhalten haben, weit hinaus: Seine Forderungen nach mit Gewalt durchzusetzender Unterdrückung der Juden bis hin zu ihrer Ermordung sind konkret gemeint und aufzufassen.

Da nun im lokalen Eventzirkus jenem Haß- und Horror-Priester vorzügliche Huldigung, feierliche Verehrung und Reverenz erwiesen werden und alsdann dieselbe Fangemeinde – „…Kopfnicken und Applaus aus den Reihen der Zuschauer“  (AfH) – zum 09./10. November sicher mit Inbrunst der Pogromnacht gedenkt, paßt es schon, wenn der Esenser Künstler Cyrus Overbeck zum „Salz der Erde“ per Impulsreferat Bezüglichkeiten zur rechten Szene thematisiert  –  und dafür „in seine Schranken verwiesen“ (AfH-Pfr. i.R. Anneus Buisman, ausgerechnet) wird…

Das zeigt, wie nah beieinander „Blut und Boden“ und „Das Salz der Erde“ liegen bzw. was der AfH-facebook-Redakteur für Reformation oder für Horror hält.

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AfH, online, 01.11.2018

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Lesetipp (ohne Mehrwertkarte!):
Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen