Rücktritt beim NIGE

 

 

 

 

 

Rücktritt
beim NIGE

 

 

 

 

 

… ein zugegeben effektheischender Titel – der jedoch nichts weiter besagen soll, als daß der Betrachter der NIGE-Untreue-Causa zugunsten seiner Affektfreiheit mal einen Schritt zurücktritt – um dann im Distanzbereich sich zu wundern, daß spätestens nach der – AfH-redaktionell nachgebessert – Selbstanzeige des Verwaltungsleiters  und mit Bekanntwerden der 1/2 Mio.€-Unterschlagung nicht auch die kontrollpflichtige NIGE-Doppelspitze ohne Verzug vorläufig und -sorglich vom Dienst suspendiert wurde.

 

Allein die Tatsache, daß nicht etwa die aufsichtspflichtige Schulleitung Anja Renken-Abken und ihr Stellvertreter Tjark-Fokken Emken auf die 72 Deliktsfälle zwischen 2020 und 2022 aufmerksam wurden, sondern zuerst außenstehende Dritte, nämlich die Hausbank wegen komischer Geldflüsse, hätte doch dringlicher Anlaß genug sein müssen.

 

Adenauer, ick hör dir trapsen: „Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat.“

 

Der Vorgang, daß aber stattdessen im Zuge eines ungewöhnlich geräuschlosen Ermittlungsverfahrens, das zwei Jahre währen sollte, Beteiligten etwa auch die Reinigung eines Tatortes ermöglicht war, erlangt seine gewisse Plausibilität beim Blick aus dem damaligen Zeitfenster: Dort blickt man in der Bildmitte auf Sommer 2022, und zwar den Landtagswahlkampf der SPD-Kandidatin und Esens‘ Bürgermeisterin Karin Emken, „eine sehr gute Kennerin des NIGE“, so T.-F. Emken über K. Emken.

 

Selbst im Nachhinein generiert die Vorstellung, daß Tjark-Fokken Emken als ständige Hälfte der NIGE-Doppelspitze und bessere Hälfte der angehenden Landtagsabgeordneten von seinem Landesdienstherrn im Kontext einer 1/2 Mio.€-Unterschlagung vorläufig suspendiert worden wäre, immer noch beträchtliches Schmunzeln.

 

Das Zusammenwirken von unterbliebener Suspendierung, der Geräuschlosigkeit bei Ermittlungsdauer und Straftatsbestand und landesbehördlich-politischem Kontext von MdL Emken  und Stellv. Schulleiter Emken sprechen für die Originalität dieser Esenser Landes-Eliteschule und ihre dicke Decke.

 

Stets zueigen ist diesem bizarren Kontext auch das professionelle Fremdeln.
So verlautbart MdL Emken via facebook: „Darüber haben Schulleiterin Anja Renken-Abken, ihr Stellvertreter Tjark-Fokken Emken und ich uns mit Herrn Staatssekretär in einem sehr konstruktiven, zukunftsorientierten Gespräch ausgetauscht“, angeblich über die neue NIGE-Sporthalle, die das Land mit 10 Mio. € baut.

 

„Und schon stehen wieder Beratungen für Projekte zur weiteren Qualifizierung dieser vorbildlichen Schule an“, schreibt MdL Emken weiter im Oktober 2023 als Kompliment an eine Schulleitung, welche, weil seit Sommer 2022 bekannt eine halbe Mio.€ veruntreut ist, sich dann im März 2024 schockiert, fassungslos, bestürzt und enttäuscht zeigt (man hat vor Augen, wie die Bestürzung die Lufthoheit überm Emkenschen Küchentisch erlangt hat) und dankt dem Staatssekretär für die Bereitschaft sich der Herausforderungen und deren Lösungsmöglichkeiten annehmen zu wollen.“ Das verstehe, wer will.
Hmmm, welche Herausforderungen, die sie an’s Land herangetragen hätte, meint sie wohl? Die Qualifizierung der vorbildlichen Schule?
Und für welche Bereitschaft, Lösungsmöglichkeiten annehmen zu wollen, dankt sie?
All dies bleibt kryptisch, eine Publikation ohne Hand und Fuß…!

 

Der Schuh zum Fuß

Doch wird ein Schuh draus, wenn man den NIGE-Aufsatz zur selben Veranstaltung liest, betitelt  „NIGE-Besuch im Landtag beim Staatssekretär des Kultusministeriums.“

„Als Gast der Landtagsabgeordneten Karin Emken (MdL) hatten die Schulleiterin des Niedersächsischen Internatsgymnasiums Esens (NIGE) Anja Renken-Abken und ihrem ständigen Vertreter [sic]Tjark-Fokken Emken am Rande der Plenarsitzung Gelegenheit mit dem Staatssekretär … und den [sic] stellvertretenden Referatsleiter … zu sprechen.“

 

Jo! Haupttagesordnungspunkt war da nämlich nicht etwa Grammatik-Curriculum oder „vorbildliche Schule… Herausforderungen… Lösungsmöglichkeiten oder … die Bereitschaft zu wollen…“ , sondern  die Besetzung der immer noch offenen Stelle des seit 2022 gekündigten Verwaltungsleiters und lupft ein wenig die dicke Decke der Geräuschdämmung auf der Causa NIGE-Veruntreuung:
„In einem dreiviertelstündigen Gespräch gelang es Renken-Abken und Emken unterstützt von MdL Emken, eine sehr gute Kennerin des NIGE, die derzeitig angespannte Lage des NIGE im Verwaltungsbereich zu verdeutlichen“
– und für Erweiterung der Ermittlungen zu werben, möchte man hinzufügen – doch nein …

 

Kontrollpflichtsverletzungskollateralschaden

Aber, ach, „Die Bewerberlage für einen/eine Verwaltungsleiter/in sei sehr dünn … Staatssekretär Hartrich versprach eine Unterstützung von höchster Trägerstelle und eine Prüfung der Möglichkeiten, damit eine schnelle Entlastung der Verwaltungssituation und der Schulleitung stattfinden kann“, was dafür spricht, daß 17 Monate nach Kenntniserlangung die Tatortsituation soweit bereinigt ist, daß ein unbelasteter Dritter sie betreten kann.

 

Emken dankt Emken

„Renken-Abken und Emken bedankten sich bei MdL Emken für die Initiierung des Gespräches und ihre Unterstützung sowie bei Staatssekretär Hartrich für das sehr konstruktive und verständnisvolle [was auch sonst?] Gespräch.“ – Vorhang !

Es mag wohl Bestandteil des MdL-Pressebriefings sein, daß Tjark-Fokken Emken auch und gerade als „Ständiger Vertreter“ der NIGE-Schulleiterin in der Causa Veruntreuung öffentlich nicht vorkommt.

Und bei Detlef Kiesés nächster homestory über „unsere“ Bürgermeisterin und Landtagsabgeordnete werden Frau und Herr Emken sich am Frühstückstisch gewiß mit Handschlag begrüßen und eine Vorstellungsrunde eröffnen.

 

Auch das niedersächsische Kultusministerium zeigt sich also in der Frage des Untreue-Kontroll-Kontextes eher gelassen desinteressiert, wird es doch gewiß sein können, daß seit 2022 hinreichend aufgeräumt und zudem noch komfortabel Frist bis Ende eines Prozesses ist: „Für die Prüfung eines eventuellen Fehlverhaltens der Schulleitung wird das strafrechtliche Verfahren gegen den entlassenen Verwaltungsleiter abgewartet“ zitiert AfH-Redakteur Kiesé die Ministeriumssprecherin, ohne die Bedeutung der Erklärung verstanden zu haben.

 

verständigungsgeeignet

Wer nun aber einer prozessualen Ausleuchtung mit allen Beteiligten mit Spannung entgegenzusehen hofft, möge unter Berücksichtigung der involvierten Interessenslagen nicht verkennen, daß ja vielleicht auch schon eine Verständigung im Strafverfahren nicht unrealistisch wäre.

 

Die Voraussetzungen sind günstig: Die Selbstanzeige des Verwaltungsleiters kommt einem Geständnis gleich, das unabdingbar für eine Verständigung gem. § 257c StPO ist.
Das Bestehen eines öffentlichen Interesses wäre abzuwägen. Bislang bildet sich der geringe Stellenwert des öffentlichen Interesses ab in der Geräuschlosigkeit der bisherigen Ermittlung, dem dicken Teppich über der Reputation einer Landes-Eliteschule sowie der landespolitischen Emsigkeit, den Teppich laufend zu ketteln.
Keinem/r der sonst Beteiligten (NIGE-Doppelspitze, RLSB, Kultusministerium, MdL Emken, Lokalpolitik und ihr Lehrkörper …) dürfte ja an öffentlicher Verhandlung über dienst- und strafrechtliche Aspekte eines NIGE-Mitwirkungs- und Kontrollsystems gelegen sein.
Zudem betreibt die Staatsanwaltschaft die Einziehung eines mittleren sechsstelligen Betrags (entspricht der Schadenssume), so daß der finanzielle Schaden ggfls. als gering oder heilbar zu betrachten wäre.

 

Und das Recherche-Interesse der „Zeitung“ hatte ja bereits Lokalerzähler Kiesé in einen Meinungskorridor gefummelt, nämlich ein bizarres Moral-Geschwurbel zwischen Schuld und Sühne, ein Strafmaß also, das dem Täter sehr zu schaffen machen wird:
„Der Mann … hat mit seinen kriminellen Machenschaften sein berufliches Lebenswerk zerstört und seinen Ruf selbst ruiniert. Er hat das in ihn gesetzte Vertrauen verspielt und trägt jetzt die vollen Konsequenzen.“ … ist also gestraft genug – wie gesagt, die Chance einer Verständigung könnte besser nicht sein.

 

Und ein kleiner Trost für die Hintergrund-Interessierten: Auch eine Verständigung erfordert die Eröffnung einer Hauptverhandlung.

Abzuwarten bleibt jedenfalls, welches Trio für den Sachverhalt bedeutsamer ist.

       

 

 

Veruntreuung am NIGE – Detlefs Nebelkerze

 

Veruntreuung am NIGE
Eine Frage des Systems

 

 

 

 

Detlefs Nebelkerze

 

 

Käseblatts Aufgabe ist es nicht, einen Sachverhalt zu recherchieren und die Geschichte plausibel zu erzählen, sondern Käseblatts Aufgabe ist’s, Befindlichkeit zu transportieren und somit ein wundersam weichgespültes „Haltet den Dieb!“ zu flüstern.

Somit kolportiert Detlef Kiesés Aufsatz weniger eine strafrechtliche Begebenheit, sondern vor allem diverse Gemütszustände von Beteiligten und wirft mehr Fragen auf als Antworten zu geben.

Und selbst wenn Kiesé also „schockierende Erkenntnisse, schwere Enttäuschung, persönliche Betroffenheit, Ernüchterung, Bestürzung …“ einer Schulleiterin redaktionell visualisiert, gerät auch das noch unfreiwillig zur Karikatur.

Folgt man der wirren Überlieferung des Redakteurs hatte eine „schockierende Erkenntnis“ bei der Schulleitung Anja Renken-Abken im Sommer 2022 lediglich zur fristlosen Kündigung des NIGE-Verwaltungsleiters wegen fortgesetzter Unterschlagung geführt.

Eine diesbezügliche Strafanzeige, die ein Ermittlungsverfahren nach sich zog, erfolgte demnach allerdings erst, als der Sachverhalt durch das anonyme Schreiben eines (so Kiesé) „internen Whistleblowers des NIGE“ im Oktober 2022 an die Öffentlichkeit gelangte und demzufolge nicht länger zu beschweigen war.
Nur die OZ berichtete am 11.10.2022., während der Anzeiger für Harlingerland mit den Beteiligten unter einer Decke blieb.

Und fast weitere zwei Jahre benötigte die Schulleiterin, um den Schock der Erkenntnisse zu verarbeiten und nunmehr ihrer Enttäuschung, Betroffenheit und Bestürzung Ausdruck zu verleihen.

Hingegen „die seit Sommer 2020 vakante Stelle soll im kommenden Monat wieder besetzt werden, wie Anja Renken-Abken berichtet„, und stiftet nicht nur weitere Verwirrung, sondern vernebelt auch die Frage, warum bis zur Neubesetzung dieser Verwaltungsleiterstelle gar zwei bzw. vier Jahre ins Land gehen mußten.

Die naheliegende Annahme besagt: Eine bruchlose Neubesetzung der Stelle schon 2022 war gar nicht möglich bzw. nicht angezeigt, denn das hätte dem Nachfolger zwangsläufig den tiefen Blick in einen Tatort gestattet bzw. abverlangt, der bis 2024 noch gereinigt werden mußte.

 

Vorauseilender Freispruch

Die Kernfrage, wie denn bei soviel vertraulichster Zusammenarbeit eine halbe Million Euro verschwinden können, erforderte zweifellos allerbehutsamste Ermittlungen  (sowohl im Kollegium als auch sicher bei Zuschußgebern und Förderprogrammverwaltern) vonseiten der Staatsanwaltschaft, zumal diese ja weisungsgebunden vonseiten des Niedersächsischen Justizministeriums zu agieren hat; Justizministerin des Landes Niedersachsen ist Kathrin Wahlmann, SPD.

Denn gewiß ist’s eine Gratwanderung, ob es ermittlungstaktisch sich auch nur ansatzweise erweisen darf, daß der Habitus des Einzeltäters in Finanzfragen sich doch langjähriger Toleranz und Kenntnis der übrigen Leitungsebene verdankt haben könnte, bei der Herrn V. vielleicht dann mal, warum auch immer in Ungnade gefallen, die Tragbarkeit entzogen wurde und dann die zuständigen Repräsentanten als eben jene einer Esenser Landes!Eliteschule von alledem keinerlei Ahnung mehr haben wollen durften.

Da beeilt sich auch die Schulleiterin mit der Betonung der vorrangigen Verantwortung des Verwaltungsleiters sowie ihres lediglich „besten Wissens„, welches sie bei der Haushaltsprüfung anzulegen hatte.
Und auch Kiesé wird der Erzählfeld-Verdunklung nicht müde und labelt mehrfach den „langjährigen Finanzverantwortlichen„, um sodann über den das NIGE unverdient heimsuchenden Schicksalsschlag zu verlautbaren: „Desto größer war die Bestürzung, dass dem Finanzverantwortlichen anstatt der Dankesurkunde die Kündigung ausgesprochen werden musste.“ – ein doppelzüngiges Geschwurbel, das allenfalls die Esenser Schweige- und Wegschau-Tradition intoniert.

Vor allem unter dem Gesichtspunkt des Einzeltäters plädiert der Redakteur schließlich für die betroffenen, entsetzten, enttäuschten, bestürzten Beteiligten auf verminderte Schuldfähigkeit.
Allen vorweg die Schulleiterin leiste geradezu Übermenschliches, sei die „einzige Außenvertretungsberechtigte“ [?], habe „sämtliche Abläufe [?!] im Gymnasium zu kontrollieren und zu verantworten„, das „Kassensystem zu überblicken“ und „den Haushalt abzusegnen„. Tatsächlich: abzusegnen !

Dann unterstellt er eine Überlastung der Schulleiterin, um die selten dämliche Suggestivfrage zu implizieren, ob das alles denn überhaupt menschenmöglich wäre, und dazu die ebenso dämliche Antwort zu liefern: Nie im Leben!
Sondern Frau Anja Renken-Abken hätte „eine spezielle Ausbildung im Haushaltsrecht und vielleicht weiteren Spezialgebieten“ gebraucht sowie „grundsätzliche strukturelle Korrekturen“ – wobei noch ganz weit offen bleibt, wie die übermenschlichen Anforderungen denn seit Sommer 2022 und das ganz ohne Verwaltungsleiter bewältigt worden seien.

Mögen der Staatsanwalt dies ins Plädoyer und das Gericht dies ins Urteil einfließen lassen!