NIGE postprozessual II

 

 

 

NIGE  postprozessual  II
Personalrats Daumenschrauben

 

 

Als weiterhin recht  gespenstisch  offenbaren sich die Organisationsstrukturen am Niedersächsischen Internatsgymnasium im Kielwasser des Untreue-Prozesses gegen dessen ehemaligen Verwaltungsleiter.

Die Trümmer betrieblicher Partizipation und Meinungsbildung werden nun ausgerechnet durch den Personalrat selbst dermaßen krass ausgeleuchtet, daß gar die Klassiker der Organisationssoziologie ihre erneute Freude hätten, in diesem ergiebigen Grabungsfeld zu schürfen – Erving Goffman läßt grüßen und wäre gewiß nicht abgeneigt, der „Totalen Institution“ eine überarbeitete Auflage zuteil werden zu lassen – und Heinrich Popitz und Gerd Spittler weiteren Erkenntnisgewinn.

 

Also orientiert die NIGE-Schulleitung via Personalrat die Mitarbeiterschaft schon mal wie folgt:

 

„Liebe KollegInnen,
bezugnehmend auf die Beschwerdemail über Herrn Strauß und die Schulleitung, die inzwischen auch schon mehrfach bei exit-esens.de zitiert wurde, sind einige von euch schon an uns als Personalrat herangetreten, mit der Bitte, eine Gegendarstellung zu verfassen und sich damit von dem Schreiben zu distanzieren. Wir möchten all diejenigen von euch, die sich einer Gegendarstellung anschließen möchten, bitten, sich umgehend bei einem von uns (oder per Mail) zu melden, damit wir kurzfristig einen Termin diesbezüglich vereinbaren können.
Viele Grüße
euer Personalrat“

 

… wobei bereits die Grußformel eine feinsinnig erlesene Niedertracht kennzeichnet, denn gnade Gott denjenigen, die etwa erwägen, das neue Controlling nicht zu goutieren und dieser sanften Daumenschraube nicht Folge zu leisten.

Im Kontext des Untreue-Prozesses weiß man nun, daß in dieser Bildungsanstalt sowohl das einst lauthals propagierte Vertrauen als auch die verantwortliche Kontrollpflicht und nunmehr auch noch Führung als Steuerungsinstrumente gründlich havariert sind, da das Havariekommando die Besatzung zur unbedingten Folgsamkeit auffordern muß.

 

Folgerichtig thematisiert eine weitere anonyme Mitarbeiter-Beschwerde (m/w/d) an die Schulleitung, an das Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück, sowie an den Schulhauptpersonalrat Hannover das Agieren des NIGE-Personalrates als Propaganda- und Disziplinierungswerkzeug der Schulleitung.
Das Schreiben liegt auch hier vor; Auszüge im Folgenden:

 

„Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Beschwerdemail über Herrn Strauß und die Schulleitung keinem mir bekannten Mitglied des nichtlehrenden Personals am NIGE bekannt ist. Die einzige Möglichkeit, dass Teile des Kollegiums von diesem Schreiben erfahren haben, ist über die Zitate, die auf der Webseite exit-esens.de veröffentlicht wurden. Dies zeigt umso deutlicher, dass die Aktion des Personalrats, eine Gegendarstellung zu initiieren, im Kern nur von der Schulleitung selbst angestoßen worden sein kann.“

 

Die wohlige Einbettung des Personalrats in das Leitungsteam wurde ja bereits bei Gericht vorbehaltlos aufgeführt, so daß man zur Genesis des o.b. „Grußwortes“ davon ausgehen darf, daß nicht etwa die Schulleitung den Personalrat zum Diktat bitten mußte, sondern eher die Schulsekretärin/Personalrätin in der stets offenen Direktoriumstür stand mit der Offerte: „Was soll’n wir schreiben?“

 

„Diese Verbindung zwischen der Schulleitung und dem Personalrat verdeutlicht einmal mehr die enge Verflechtung beider Institutionen und wirft ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit des Personalrats auf. Es ist offensichtlich, dass der Personalrat nicht als unabhängiges Organ zum Schutz der Interessen aller Mitarbeiter agiert, sondern offenbar die Interessen der Schulleitung vertritt.“

 

In diesem Spannungsfeld zu arbeiten, erfordert zweifellos eine robuste Gesundheit und man wüßte gern, wie sich des Arbeitgebers Fürsorgepflicht auf jene kapriziert, die als Insassen dieses Dampfdrucktopfes zu funktionieren haben – und hatten.

 

„Durch diese vom Personalrat gestartete Aktion wird ein Klima der Angst und Unsicherheit verstärkt, welches durch die beschriebenen Überwachungsmaßnahmen und die herabwürdigende Behandlung des nichtlehrenden Personals ohnehin schon stark belastet ist. Die Aufforderung zur Distanzierung von der Beschwerde und zur Teilnahme an einer Gegendarstellung scheint darauf abzuzielen, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und den Druck auf diejenigen, die berechtigte Bedenken geäußert haben, weiter zu erhöhen.“

 

Die smart-repressive Zurichtung der Beschäftigteninteressen durch den Personalrat auf einen bizarren Leitungshabitus wirft in der Gesamtschau zunächst auch die Frage auf, welches Menschenbild denn diese Bildungsanstalt da impliziert – eine Frage also, die sich aber erledigt, wenn man gewahr wurde, daß die NIGE-Schülerschaft samt stolzem Lehrkörper Ende Januar nach obrigkeitlichen Vorgaben auf dem Esenser Marktplatz für Regierungspolitik demonstrierte.

 

Offen bleibt jedoch die Frage, an bzw. gegen wen oder was sich diese als „Gegendarstellung“ oder „Distanzierung“ verkleidete skurrile Spontanempörung richten soll. Mag sich das akademische Lehrpersonal von der Tatsache distanzieren, daß das nichtlehrende Personal seit August verschärfter Kontrolle unterworfen wurde?

Welchem Zweck sollte das dienlich sein, außer der Ignoranz der Fakten, der Zerteilung der Belegschaft und der Bestätigung der Gruppen-Nestwärme?

Soll das nichtlehrende Personal sich vorauseilend spalten in leitungstreu vs. unerwünscht, um selber seine Steuerbarkeit durch einfache Daumenschrauben zu optimieren?

Und für wen soll das presserechtliche Instrument der „Gegendarstellung“  gedacht sein, da erwartungsgemäß keinerlei einschlägige Presse-Regung registrierbar ist, obwohl der AfH-Redaktion der Beschwerdetext seit letzter Woche vorliegt, aber diese ja sonst auch eher am dicken Teppich der Verschwiegenheit mitknüpft und -kettelt?
Dem Anzeiger für Harlingerland wäre allenfalls zuzutrauen, eine mit der NIGE-Leitung gemeinsam formulierte „Gegendarstellung“ zu publizieren, während ganz paradox wie so häufig die eigentliche Darstellung des Sachverhalts weiter unterm dicken Teppich verbleibt.

 

Als Effekt bleibt lediglich die weitere Erhitzung des Dampfdrucktopfs, über den die Verursacher die Kontrolle verloren haben.
Die Betriebsstruktur dieser Anstalt ist so nachhaltig zerstört, wo das Leitungspersonal dauerhaft im selbstverschuldeten Spannungsfeld zwischen Elite-Propaganda nach außen und Sponti-Repressionen nach innen herumorganisiert, daß dies nicht mehr mit Stuhlkreis, Haus der offenen Türen, Supervision oder gemeinsamem Ausflug zu reparieren ist …

 

 

Kleine NIGE-Anthologie
NIGE postprozessual II – Personalrats Daumenschrauben (04.09.2024)
NIGE postprozessual – Die logische Folge (26.08.2024)
NIGE-Prozeß / Urteil / Nachtrag (16.08.2024)
NIGE: Das Vier-Augen-Prinzip (13.08.2024)
NIGE-Prozeß (30.07.2024)
Abschluss – Aufbruch – Schusslinie  (30.06.2024)

Rücktritt beim NIGE
(12.04.2024)
Veruntreuung am NIGE – Detlefs Nebelkerze (23.03.2024)

 

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