Neue Sepulkralkultur
Der Verein „Bienen, Blüten, Naturräume im Alten Amt Esens“ zeigt so sachkundig wie pünktlich zur Pflanzzeit große Emsigkeit, und der Anzeiger für Harlingerland hat dem beigewohnt; folgen wir also dessen Bemühen, das Geschehen zu verstehen und zu überliefern, da auf einem Areal des Esenser Friedhofs eine insektenfreundliche Landschaft angelegt wird.
„Ein erhabener Moment (…) Jürgen Saathoff hatte die Pflanzen transportiert und trägt sie jetzt voller Stolz zum Pflanzbeet“ plaudert da Händels Klaus unters zentrale Foto, wo der freundliche Imker nur gerade die Lieferung checkt.
„Erhabener Moment“ also … beim Pflanzentransport? Hat er sie etwa per Hochzeitskutsche chauffiert? Oder gar mit dem Papamobil? Und wo prunkt der „Stolz“? Beim Töpfchenrücken?
Fragen über Fragen, eine halbe Zeitungsseite Aufsatzknospen, Plappersalat, Erzählblüten „…werkeln mit Haken, Kultivatoren, Harken“ usw. usf. – er zählt die Spatenstiche, doch er weiß nicht, wofür. Breit tritt er die Methode, doch Ziel und Inhalt bleiben unerwähnt.
Stolz und Erhabenheit, sie finden sich nun allenfalls in der Echokammer des redaktionellen Erzählers, wo sie allerdings so raumgreifend sind – Mansarde ist eng – daß kein Platz mehr bleibt für die Wahrnehmung von Sinn und Botschaft dieser ganzen Aktion:
Es ist nämlich die Schaffung neuer Lebensräume gerade im Totenacker, die neue Qualität an einem Orte, der bislang vorrangig den Steinmetzen überlassen worden war,
allenfalls Lebensraum der Steinlaus bot und dessen genügsame Tannengrünvegetation sparsamsten Grabpflegeaufwand gestattete.
Denn gerade hier gehören sie hin, die Musterflächen und Mustergräber, die sachgerecht, abwechslungsreich und dennoch pflegeleicht zu gestalten sind, die als Augen- und Bienenweide eben mehr darstellen können als den Flecken, der bislang stets ungern mit der Gießkanne aufgesucht wurde. Dieser Gedanke, einen Friedhof auf vielfältigste Weise erblühen zu lassen, als Anschauungsgarten für ausgerechnet neue Lebensräume, und dann noch Gestaltungs- und Bewirtschaftungsideen für den eigenen Haus- und Vorgarten dort ernten zu können, macht hier die eigentliche Nachricht, städtische Attraktion und Verdienst des BBN-Esens aus.
Und sollte, was für die Toten gilt, nicht den Lebenden recht und billig sein?
Und warum also sollten neue wertvolle Lebensräume nur auf dem Friedhof wachsen, während gerade die Esenser Neubaugebiete standardmäßig diametral lebensräumlich veröden (Steinlaus) und die (Vor-) Gartengestaltung wohl ausschließlich dem Schotter- und Geröllbeauftragten im städtischen Gestaltungsausschuß vorbehalten ist.
Diese „Onno-Haak-Siedlungen“ kultivieren ja einen Stilmitteltrend aus schwarzen Klinkern, schwarzen Fugen, schwarzen Fenster- u. Türrahmen (am liebsten mit Rauchglasscheiben), schwarzen Dachpfannen, Schotterbeet, Feinsplitt, Schachtring, Kanaldeckel, Edelrostfrosch und Stahlreiher (V4A), der doch laut und vernehmlich „Regulierung!“ in Baupolitik und -verwaltung hineinruft.
Lebensraumkundliche Ertüchtigung und Führungen zum Beispiel könnte BBN-Esens ihnen anbieten, und Wiederholungskurs für’s Zeitungspersonal. Ja, das wär’s !
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