Skandal! Skandal!
Seenot in der Teetasse
Sollte eine Redaktion sich nicht freuen, wenn ein sonstiger Grußonkel mal einen Leserbrief schreibt?
Au weia, was ist passiert? Wir wissen es nicht. Und der Anzeiger kann’s nicht sagen. Aus moralischen Gründen. Und falls wirklich was passiert sein sollte, war es eine Belanglosigkeit. Alltäglichkeit im öffentlichen Raum: Texte zu- und übereinander entwerfen; der Casus: ein mutmaßlicher Leserbriefentwurf des Jochen Beekhuis, MdL. Gefunden von den Moralgranaten der Anzeiger-Redaktion, bestückt mit der Explosivkraft des Pressekodex: BUM
bzw. KDH bzw. MH.
Diese zündet und gilt aber nicht, wenn der Redakteur himself the trigger pulls, also wenn z.B. der Teilzeitredakteur Pastor i.R. Anneus Buisman im redaktionellen Teil mit Empörung kübelt, weil punktgenau und anlaßbezogen der Künstler Cyrus Overbeck Maler Petersens Affinität zum Völkischen thematisiert hatte.
Sie zündet auch nicht, wenn dann des Pastors Ehegespons zu des Pastors Bericht noch einen breiten Leserbrief hinzudrückt.
Und sie zündet auch nicht, wenn der Beilagenredakteur Brüling auf facebook-Harlinger noch dazusteigt und diesbezügliche interessierte Leserfragen diffamiert.
Auch zündet sie nicht, wenn der Chefredakteur Klaus-Dieter Heimann sich selbst per Leserbrief seiner Nachbarn („Danke an Klaus Heimann …“) seine moralische Highperformance attestiert („Werte und Wahrheit“) und in schamloser Selbstbeweihräucherung die zutreffende Kritik an seiner Lückenpresse verunglimpft.
Sie zündet nicht, wenn Redakteur Klaus Händel das Märchen von der Klage des Umgehungsstraßeneigentümers gegen den B’sieler Campingplatz erfindet und in Umlauf bringt.
Sie zündet nicht, wenn Teilzeitredakteur Gerd Frerichs über Holtgaster Verhältnisse unter Bürgermeister Gerd Frerichs berichtet … usw. usf…
Das Erheiternde:
Dieser Halbsatz „als ihn die Redaktion gestern mit Ergebnissen ihrer wochenlangen Recherchen konfrontierte“ tauchte dann doch den heimischen Frühstückstisch in ein Tal der Lachtränen. Blicken wir also nach wochenlangen Recherchen ins Antlitz von Erkenntnis und Aufklärung und fegen wir die Pixel der Fratze auf, die – in der Reihenfolge ihres Auftritts – da lauten:
in eingeweihten Kreisen, Krisenstimmung, arge Schwierigkeiten, kursieren in Kreisen, sollte, könnte, Hinweise, zu Werke ging, deuten darauf hin, Versuch, anscheinend, zumindest nicht, keinesfalls, nicht konkret, grundsätzlich nie, möge bedenken, schlägt hohe Wellen, stellt sich dar, macht die Runde in Kreisen, seit Wochen, soll sich geäußert haben, soll versucht haben, Verdacht, genau nahelegen, scheinen, soll, stellt sich dar, aussuchen soll, schicken soll, offenbar, nie erschienen, Versuch, so nicht gewesen, nicht konkret, allerdings, grundsätzlich, könnten, nie getan zu haben, könnten, versucht, gebe, dies könnte, so mutmaßen, bemühe, suche, Hinweise, hinter vorgehaltener Hand, in Teilen, mindestens angekratzt. Danke für Ihre Demut und Aufmerksamkeit.
Dies sind die Mosaiksteine eines Affen- und Affärenjournalismus, denn wo Affäre drübersteht, ist auch Affäre drin, und es sind die Trübfische einer Anzeiger-Redaktion, die weismachen wollen, es gäbe in ihrer Buchstabensuppe unterschiedliche Eintrübungsgrade: Täter, Opfer, Moral, Dilemma, Promi, Private, Pressekodex …
So holt der fake-Journalismus, damit die Seite voll wird, sogleich auch „prominente“ Stellungnahmen zu Gerücht, Geraune & Empör ein, die bei fehlender Nachrichtenlage stets gern auch sich selbst als Ereignis inszenieren: Siemtje Möller: „erschreckt & betroffen“; Roswita Mandel: „tief enttäuscht & menschlich verletzt“; Johanne Modder: „fassungslos“; Johann Saathoff: „schwerwiegende Vorhaltungen“.
Den Eiertanz ihrer Übersprunghandlungen zwischen nichts wissen, aber was sagen wollen, zwischen eingeweihten Kreisen und Geschwätzigkeit, zwischen Enthüllungsdrang und Inkontinenz nennt die Redaktion „Moralisches Dilemma“ – wenn sie morgens feststellen muß, daß das Laken doch wieder naß ist.
Da titeln 3 Redakteure: „Affäre / Ein Leserbrief und die Frage, wer ihn schrieb“, um darunter in wirren Rührkuchen einzubacken, daß es keinen gab, der deshalb nie versendet wurde, der deshalb nie erschienen ist – und daß Sozis einander nicht grün sind und Umgangsformen pflegen wie manch anderes Brschloch, auch und gerade des öffentlichen Lebens, ebenso. Sonst noch was?
Weiterer Blödsinn zum Wochenende in Samstagskommentar, Wort zum Sonntag und Leserbriefen.
Bis dahin: Finde den Skandal, bastele eine Affäre !
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