Nazi-recreatie – der Lockstoff

 

Nazi-recreatie – der Lockstoff

 

 

Da er seinen Mail-Verteiler nun mit annähernd immer gleichlautenden Texten flutet, muß Herr Overbeck sich wohl vorhalten lassen, daß seine Aktionen zwar die Feinde weiter kenntlich machen, jedoch in deren Schaum- und Sekretaufkommen die angesagt wichtigen Inhalte zunehmend unkenntlich werden.
Vielleicht ja erfreut sich der Künstler, der Esens vermutlich ohnehin zu den erledigten Fällen seiner Vita zählt, noch an der Vorhersehbarkeit der ausgelösten Effekte.

Bereits beim Zeitungsbericht einer Rheinischen Post geht da manch lauernder Influencer im fernen Esenser fb-Kosmos prompt in den Handstand und bringt seine glandula anales in Stellung, so daß sich der „affektfreie“ Betrachter und Chronist vor die Wahl der Metapher gestellt sieht: Stinktier oder doch Pawlows Hund?

Bei gewissen Reichskaffeehaus-Philosophen – oder muß es heißen: Reichscafé-Hausphilosophen?! – hat jedenfalls O.s RP-Artikel zunächst die digitale Erektion hervorgerufen und die Rundmailflut alsdann vereinzelte Ergüsse in deren Facebook-Blase – also Blasenschwäche (von heimischen Followern für Shitstorm gehalten).

Niemand dort ist sich jedoch der Widersprüchlichkeit solchen Treibens bewußt, stellt es doch die weitere Ertüchtigung eines Ortes, aus dem – zugespitzt – 2019 der letzte jüdische Künstler vertrieben wurde, als Retentionsraum für Nazis dar, und qualifiziert den ländlichen Raum zur ohnehin beliebten Destination einer Rattenlinie.
Schutz der Vertriebswege von Nazidevotionalien kann dann als besonderes Alleinstellungsmerkmal begriffen werden.

Wer erzählt denn noch die Genesis der Esenser Stolpersteine?
Der rechte Reiseführer – mit Augenzwinkern!
Und er preist die eigentümliche Willkommenskultur, die Nach- und Wegsicht, die Gelassen-, Verschwiegen- und Selbstzufriedenheit, jenen Zusammenhalt, der das Phänomen des rechten „Rands“ in Zweifel zu ziehen sich eignet (ist’s eher die Mitte?) und gibt 5 Sterne für Offenheit in die wichtigsten Richtungen, nämlich daß Esens bunt ist und Wellness-Oase für äh… halt alle Farben, die wohlfeil einander einhegen.

Destination, reichsbürgerlich beflaggt:   Esens, Nelkenpfad, Ecke Gartenstraße [Foto: Hella Lencer]

Der rechte Reiseführer goutiert die ratiophobe Verwaltung von Gedenknachlaß und Heldenverehrung, von Opferkoketterie und Antifa-Stickern als Einladung in einen Rückzugs- und Verfügungsraum, wo unbelästigt von klarer politischer Wahrnehmung, Position oder gar Widerstand es sich leben läßt … ! Das ist die Rezeptur des Lockstoffs.

Overbeck inszeniert die Nagelprobe: In der beißwütigen Esenser Ignoranz und in der verweigerten Positionierung codieren sich Zugeständnis, Toleranzperversion, Einvernehmen, Verständigung auf Augenzwinkerhöhe zum Willkommensgruß an Nazis – wie Gaunerzinken an der Tür einer Stadt !

Wo noch jede Gaunerei entweder schärfstens beschwiegen oder aber verbissen gut beleumundet wird, weil deren Ankläger den Ruf der Stadt schädigt, darf der Gauner sich herzlich hereingenommen fühlen.
Museumsdirektoren, Gedenkstättenbetreiber, gemischtreligiöse Arbeitskreise, Heimatblatteditoren und eine fb-Gruppe als stil- und meinungsbildende Hilfsorganisation auf Gegenseitigkeit sind dabei die beflissensten recreatie-Propagandisten, an deren Unfreiwilligkeit berechtigte Zweifel zu hegen sind.